In Kontakt sein
Die Grenzen für guten Kontakt sind im Kopf, nicht in der Art der Begegnung.
Stefan Heer
Soziale Nähe trotz Physischer Distanz ist möglich. Aber in Kontakt kommen funktioniert anders. Und wir müssen es lernen. Hier einige Inspirationen dazu.
Im Rahmen eines Seminars zu “Führen auf Distanz” wurden die Teilnehmenden gefragt: Was braucht es für gelungenen Kontakt? Hier die Nennungen:

Danach haben die Teilnehmenden diese Kärtchen sortiert: Was ist möglich auf Distanz, was ist eher schwierig und was unmöglich?


Bewegen Sie den Schieber nach Links, um die Sortierung zu sehen.
Die Ergebnisse überraschen: Sehr vieles, was uns wichtig ist um in Kontakt zu bleiben, funktioniert auf Distanz. Vielleicht sind ja die Grenzen im Kopf? Ich erkannte beispielsweise, dass ich in virtuellen Meetings viel rascher das Gefühl habe, produktiv sein zu müssen. Während man in einem physischen Kontext viel entspannter den Kaffee holt, den Laptop einrichtet, die neuen Schuhe des Kollegen kommentiert usw. Warum eigentlich?
Hintergrund
Meine Urgrossmutter hat dem Telefon nicht recht vertraut. Warum? Sie war eine “Telecom-Immigrantin”. Das heisst, Telefonieren war nicht ihre “Muttersprache”. Wir alle dagegen sind mit dem Telefon aufgewachsen, telefonieren ist unsere “Muttersprache”. Auf Neudeutsch sind wir “Telefon-Natives”.
Aber viele von uns sind Immigranten im Führen auf Distanz. Diese Sprache ist neu für uns und wir müssen sie mühsam lernen. Wir meinen: “es ist unmöglich, guten Kontakt zu haben über diese neumödigen digitalen Kanäle”. Ein Denkfehler. Wir sprechen einfach die Sprache noch nicht so gut.
Gegenmittel
Zuerst eine Anleitung zum Unglück: Probieren Sie doch einfach mal dieses komische Zoom oder Teams beim nächsten Teammeeting. Und merken Sie, dass es nicht recht funktioniert: Die einen können nicht einloggen, die anderen schalten konsequent die Kamera nicht ein. Das Meeting wird irgendwie durchgestanden, während man sich schwört, sich so etwas nicht mehr ohne Zwang anzutun. So entstehen Überzeugungen:
- Früher war alles besser.
- Kontakt ist nur Physisch möglich. Punkt.
So kann man denken – und es ist nachvollziehbar. Denn natürlich mutet uns die Welt so einiges zu. Doch so zu denken hat Auswirkungen: Man harrt der Dinge, bis bessere Zeiten kommen. Da muss man jetzt halt durch. Das Soziale muss warten. Konflikte müssen warten.
Oder aber man sagt sich: Challenge Accepted. Diese Wahl liegt bei jedem Einzelnen. Und jeder Einzelne hat auch Recht: Der Eine beweist sich, dass Kontakt auf Distanz nicht möglich ist, der Andere beweist das Gegenteil. Dieser Zusammenhang ist schon mal jemandem aufgefallen, der es wiefolgt ausdrückte:
Whether you think you can, or you think you can’t – you’re right.
Henry Ford
1. Wählen Sie sich ihre Herausforderung weise
Guten Kontakt herzustellen auf Distanz ist möglich. Aber es ist eine Kompetenz, die schrittweise und durch viel Ausprobieren aufgebaut wird. Und es funktioniert nur, wenn man sich eine gewisse Flexibilität bewahrt. Denn Kontakt auf Distanz funktioniert anders.
Eigentlich wissen wir es ja: Digitalisierung ist weit mehr, als das Gewohnte einfach online zu machen. Das möchte ich am Beispiel meiner Schulungen zu Führen auf Distanz kurz illustrieren: Hätte ich dafür analoge Konzepte einfach digitalisiert, wäre eine vier- oder gar achtstündige Zumutung dabei herausgekommen. Ineffizient und einschläfernd. Denn was im direkten Austausch in Seminarräumen funktioniert, funktioniert online – eben anders.
Deshalb habe ich die Schulung komplett neu Konzipiert, mit dem Ziel, so viele Vorteile wie möglich zu kombinieren:
- Anreise und Kurslokal organisieren fällt weg. Also können die Einheiten viel kürzer sein.
- Gewisse Tipps und Tricks lassen sich asynchron vermitteln. Das ist viel effizienter. (Vgl. Kommunikationskanäle)
- Umgekehrt braucht es synchrone Kanäle, um gut in Kontakt zu sein.
- Mit digitalen Helfern wie Mural kommt man sehr schnell ins Gemeinsame arbeiten.
Herausgekommen ist ein Hybrid mit verträglich kurzem Live-Block und ergänzenden Self-Service Aufgaben, welche individuell dann erledigt werden können, wenns passt. Ob es funktioniert wusste ich nicht. Dass ich es ausprobieren muss jedoch schon.
Warum erzähle ich das? Es gibt keine sicheren Wege zu neuen Zielen. Es war jedoch für mich Neuland, diesen Kurs aufzubauen – tiefe Lernzone. Die Lernzone lässt sich nicht vermeiden – aber sie lässt sich etwas planen: Indem man seine Herausforderungen gut aussucht. (Und gnädig und zielführend mit sich umgeht, wenn so genante “Fehler” passieren, aber das ist ein anderes Thema).
Gute Entscheidungen entstehen aus Erfahrungen – aber Erfahrung entsteht aus schlechten Entscheidungen.
Frei übersetzt, Quelle unklar (Mark Twain, Kerr L. White und andere)
Straucheln ist unvermeidlich, wenn man neue Fähigkeiten lernt. Das Spielfeld jedoch kann man sich aussuchen. Wählen Sie Ihre Herausforderungen dort, wo Straucheln verkraftbar ist.
2. Gehen Sie in die Lernzone (aber nicht weiter)
Gehen Sie an Ihre Grenze, aber nicht darüber. Diese ist nicht so schwer zu finden: Überlegen Sie sich dazu, wie viel maximal schief gehen darf. Dies nennt sich das “Prinzip des leistbaren Verlustes”.
3. Haben Sie einen Plan B
Eine Rückzugsstrategie kann enorm hilfreich sein, um etwas mehr wagen zu können. Gute Strategien sind hier zum Beispiel, eine neue Kommunikationsart als Experiment zu deklarieren. Experimente dürfen scheitern. Dies erlaubt entspannt(er)es Ausprobieren.
Resultate
In einem Folgeseminar zu “Führen auf Distanz” teilten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen, was ihnen hilft, um in guten Kontakt zu kommen:

PS: Bei physischen Workshops vermisse ich inzwischen Mural!
Schreiben Sie Ihre Erfahrungen mit diesem Thema in die Kommentare.
Ein Experiment als solches zu deklarieren hat mir auch schon geholfen.
Man darf auch mal die Erwartungen nicht zwingend erfüllen müssen. Vermutlich sind Personen im Raum die nur bewährte Muster anwenden und deshalb sehr hohe Erwartungen an Neues haben.
Geht es gut und gelingt das Experiment ist die Freude sehr gross, gehts mal in die Hose hat man in der Regel nicht viel verloren.
Um mit meinen Arbeitskolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bleiben, versuche ich so oft wie nötig/möglich Videochats durchzuführen. Bei Fragen vermeide ich wenn möglich das Verfassen von Mails und kläre dies direkt über TEAMS.